Viviane Feitner

Viviane Feitner

Werke

2023 – 2024 

Installationsansicht ´Kräuterbad zur Gefiederpflege bei Tauben´, 2024, Stahlbecken, Wasser, Badeessenz, Wärmelampe, 1,40 x 90 cm, KWR40 Mainz.

Die Installation Kräuterbad zur Gefiederpflege bei Tauben zitiert eine Szene aus einer Dokumentation über das Brief- und Renntauben-Geschäft. Zu sehen war ein Taubenschlag mit einem extra eingerichteten Zimmer, in dem die Tauben baden gehen konnten. Die Badeessenz aus Kräutern sollte das Gefieder der Tauben geschmeidig machen und stärken. Eine gesündere Taube bedeutet für die Züchter*innen eine höhere Leistung. Eine höhere Leistung in den Rennen verheißen höhere Preise und größere Erträge. Wieviel es um das tatsächliche Wohl der Tauben geht oder doch ein kapitalistisches Interesse im Vordergrund steht bleibt an dieser Stelle offen.

It’s not about me, not about my well-being. You want me to be healthy so that I can achieve the performance you hope or and for which you get paid. My performance means your success. If I perform, I will be treated well. I am treated well so that I perform.

Ausstellunsgsansicht ´My body my pigeon´, 2024, KWR40.
Installationsansicht ´Are these my feet´, 2024, Modelliermasse, Draht, etc., 50 x 30 cm, Kunsthochschule Mainz u. KWR40.

Wie fühlt es sich an, den Körper mit langen Zehen und Krallen zu erweitern? Wie verändert sich meine Wahrnehmung, wie verschieben sich meine Grenzen? Die Ästhetik oder Nicht-Ästhetik der Taubenfüße, sind in den Fokus meiner Beobachtung gerückt. Taubenfüße als Körpererweiterung.

Ich werde selbst die Taube. Während des Tragens habe ich gespürt, wie mich die Füße zu anderen Bewegungen zwingen, mich einschränken, aber auch den Raum und meinen Körper anders wahrnehmen lassen. In manchen Momenten schaue ich auf meine Hände und werde mir bewusst, wie sie an meinem Körper herunterhängen. Warum weiß ich, wo meine Hände sind, ohne sie zu sehen? Ich kann die Grenzen meines Körpers spüren und weiß, wo sich alle Körperanhänge befinden, ohne hinzuschauen. Dieses Phänomen bezeichnet man in der Biologie als Propriozeption, also dem unbewussten Wissen über die Position von körpereigenen Teilen im Raum. Hierzu gehört auch die Information über Bewegung und deren Änderungen (Jahn & Krewer 2020). Beim Tragen der Füße wurde dieses Gefühl von Körpergrenzen auf die Spitze getrieben und das Gefühl von „Sind das meine Füße? Ist das mein Bein?“ immer lauter, wobei es zum ersten Mal begründet schien. Was passiert in diesem Moment? Sind das nun wirklich meine Füße? Wenn ich sie nur lang genug trage, werden sie dann zu meinen Füßen? Auch dieses Phänomen wurde in der Neurowissenschaft erforscht und mithilfe des rubber hand experiments von Botvinick und Cohen im Jahr 1998 nachgewiesen, wo eine künstliche nicht körpereigene Hand durch die Verschiebung der propriozeptiv erlebten Position als dem eigenen Körper zugehörig wahrgenommen wird (Botvinick & Cohen 1998).

o. T., 2024, analoge Fotografie, KWR40 Mainz.
o. T., 2024, analoge Fotografien (Serie), 2024, 12 x 17 cm.
Installationsansicht ´Taubenringe´, 2024, Stahl, 3D-Druck aus umweltfreundlichem Plastik, Kunsthochschule Mainz u. KWR40.

Die eigenartige Form der Objekte gibt bereits ihre Funktion des Zusammenklickens vor. Sie werden genutzt, um bestimmte Vogelindividuen zu markieren, indem der Ring an das Bein des Vogels angebracht wird. In der Ornithologie ist die Beringung zu wissenschaftlichen Zwecken eine der wichtigsten Methoden zur Erforschung von Vögeln und deren Verhalten (vgl. Bairlein 1999). Sie ermöglicht es mithilfe der gewonnenen Daten zu Lebenserwartung, Zugverhalten und ähnlichem fundierten Naturschutz zu betreiben (vgl. Fischer 2007, vgl. Vogelwarte.CH 2024). Im Tierheim Mainz werden mit den Ringen die aufgenommenen Stadttauben markiert, um so Aussagen darüber treffen zu können, wie es um die Tiere nach der Behandlung steht. Pro Jahr wird hierfür zur Übersichtlichkeit eine Ringfarbe genutzt, wie das Lila für das Jahr 2024.

Auch bei der Stadttaubenhilfe Mainz/Wiesbaden wurden zeitweise Beringungen verwendet, um beispielsweise mit orangefarbenen Ringen die Locktauben eines neuen Taubenschlages zu kennzeichnen. Zurzeit findet von Seiten der Stadttaubenhilfe keine Beringung mehr statt. Gelegentlich markieren Privatpersonen die Tauben, die sie behandelt haben, mit eigenen Ringen.

Gleichzeitig werden die Ringe genutzt, um im Brief- und Renntaubensport die eigenen Tauben eindeutig zuordnen zu können. Für die Züchter*innen geht eine Verantwortung und gesetzliche Pflicht einher, sich um ihre verlorengegangenen Tiere zu kümmern (§ 3 Nr. 3 TSchG; Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. 2009, S. 18). Problematisch ist jedoch, dass einige Züchter*innen kein Interesse daran haben, aus der Wertung ausgeschiedene Tauben wieder einzusammeln und die damit verbundenen Kosten aufzubringen. Die Ringe markieren eine Art der Gefangenschaft, der Unfreiheit. Es ergibt sich das Paradox, dass die Tauben zur selben Zeit eine Markierung der Gefangenschaft tragen und gleichzeitig das Symbol der Freiheit praktizieren: Das Fliegen. Das, was im Taubenrennsport auf sie wartet, endet in vielen Fällen tödlich für die Tauben. Weniger als die Hälfte der gestarteten Tauben kehrt wieder gesund vom Rennen zurück, hunderttausende Tauben verunglücken jährlich (vgl. Warzecha 2009). Nur die, die die besten Leistungen erzielen und den Ansprüchen standhalten können, überleben die Rennen.

Diese Widersprüchlichkeiten in den Gründen der Verwendung von Beringungen werden in den Objekten vereint werden und verkörpern Schutz und Gefangenschaft zugleich.

I am so free I can only fly back to you. Ich leiste, also bin ich wertvoll. Und wenn nicht? bin ich nutzlos, werde ich dann aussortiert

Installationsansicht ´Verschnürungen´ (Serie), 2024, Aquarell auf Papier, 17 x 24 cm, Kunsthochschule Mainz u. KWR40.
Installationsansicht ´I am so tired of daily city life´, 2024, Röhrenfernseher, WD Player, Video 2:30 min, Kunsthochschule Mainz.

Die Videoinstallation zeigt eine Taube, die nichts anderes tut, als dazusitzen, und manchmal schließt sie fast die Augen. Müde vom Leben in der Stadt, der ständigen Suche nach Orten, an denen sie ankommen und sich niederlassen kann, müde davon, ständig von sich wiederholenden Vorurteilen getrieben zu werden.

Sowohl Tauben als auch Menschen haben gelernt, sich an das städtische Leben anzupassen. Wir haben Strategien entwickelt, um mit chronischer Müdigkeit zurechtzukommen (oder, aus der Sicht einer Taube, mit alten Pommes frites auf den Gehwegen). Wir haben etwas geschaffen, das uns nach und nach immer müder macht. Eine Welt voller Reizüberflutung und nicht enden wollender Arbeitstage, Leistungsdruck und ständigem Lärm, um unsere innere Leere und Erschöpfung zu übertönen. Wir greifen erst ein, wenn es nicht mehr geht. Solange das System noch funktioniert, machen wir weiter. Wann wäre es an der Zeit, zu verändern? Und wer sollte die Veränderung übernehmen? Neben der durch äußere Faktoren verursachten Müdigkeit sind sie auch ihrer selbst überdrüssig. Erschöpfung angesichts der gleichen Vorurteile und strukturellen Herausforderungen, denen eine Taube ausgesetzt ist, nur weil sie eine Taube ist. In unseren Köpfen sind die Tauben in der Stadt einer Kategorie zugeordnet, aus der sie sich nur schwer befreien können.

Ausstellungsansicht ´Pigeons I have collected´, 2024, Inkjetdruck auf Papier, Zentrum Baukultur.

Auswahl Pigeons I have collected (Serie), 2024, digitale Fotografien/ Inkjetdruck auf Papier, Zentrum Baukultur.

Chatverlauf / ´Pigeons I have collected´ (Serie), 2024, Inkjetdruck auf Papier, Zentrum Baukultur.
Ausstellungsansicht ´Schüre / lacing prevention´, 2024, Schnüre u. ä., Plastikbeutel, Zentrum Baukultur.

Stofffäden, Haare, Verpackungsreste, die sich um die Füße von Tauben gewickelt haben und Ihnen die Zehen abschnüren. Zum Teil so stark, dass es zum Verlust oder zu Fehlbildungen der Zehen und des ganzen Fußes kommt. Reste von uns Menschen, die sich an dem Körper von Tauben festsetzen.

Um diesem Risiko für Tauben entgegenzuwirken, trafen sich Mitglieder der Stadttaubenhilfe im Anschluss an den jährlichen Stoffmarkt in der Stadt, um zurückgebliebene Schnüre auf dem Marktplatz einzusammeln.

Auf dem Boden herumkriechen und nähfadendicke Schnüre aufsammeln. Die Menschen reagieren irritiert, manchmal empört, fühlen sich gestört, wenn wir zu nah an ihre Stände herankommen. Die Bewegung, das Absuchen des Bodens zwischen den Steinen und die Reaktionen der Menschen ließen mich beinahe selbst wie eine Taube fühlen.

Neben den Aktionen, bei denen Fäden eingesammelt werden, gibt es auch Entschnürungsaktionen. Dabei gehen wir durch die Stadt und scannen die Tauben nach Verschnürungen ab. Können wir welche entdecken, fangen wir sie kurz ein, entfernen die Schnüre und behandeln die Tauben gegebenenfalls, je nach Grad der Verschnürung.

Installationsansicht Eiertausch, 2023, Äste, Vollkunststoffeier, Edding, Kunststoffplane, Papier, ca. 3m x 4m, Kunsthochschule Mainz.

 

Die Installation zeigt ein überdimensionales Nest, in der Mitte befinden sich zwei Attrappen von Taubeneiern. Beide Eier besitzen eine blaue ringförmige Markierung. Daneben platziert ist ein Sack voller Kunststoffeier, die ebenfalls markiert sind und zum Teil auf oder neben dem Sack liegen oder durch die aufgeschnittene Öffnung herausquellen.

Das Nest besteht aus mehreren großen Ästen, die in einem Kreis platziert wurden.

Die Markierung verweist auf den Kontext der Kunststoffeier und ihre eigentliche Verwendung als Tauscheier bei den Tätigkeiten des Stadttaubenmanagements. Dabei werden die echten Eier aus den Taubennestern herausgenommen und gegen Eiattrappen aus Vollkunststoff eingetauscht.

Während der Domestizierung als Haustiere wurde den Stadttaube ein Brutzwang angezüchtet, weshalb sie nun auch „in freier Wildbahn“ über das ganze Jahr brüten und sich rasant vermehren. Eine Regulationsmethode der Taubenpopulation im Sinne des Tierwohls ist der Eiertausch, der in der Installation thematisiert wird.

Analoge Fotografien

2023/24

Eingescannte Abzüge auf Fotopapier, vers. Formate

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